Heinrich Lange


Rechtshistoriker, so sie Juristen und Professoren sind, haben es an den juristischen Fakultäten dieses Landes nicht ganz leicht. Sie gelten als Historiker, (was sie, blickt man auf ihre Fragestellungen und Arbeitsweisen, auch schlecht bestreiten können), von denen man weder eine überragende Darstellung noch eine überraschende Verbesserung des geltenden Rechts erwarten darf, so daß sie für das Kerngeschäft der Fakultäten, die Ausbildung gewitzter Kenner der geltenden Normen, nur von bedingtem Nutzen sind. Ihr unbestrittener und nicht zu bestreitender Bildungswert kompensiert eben nicht alle Mühen des Alltags. Noch schwerer hat es der Rechtshistoriker, wenn er Romanist, d.h. ein Spezialist des römischen Rechts ist, denn er kann schwer leugnen, daß er eine Residualsubstanz, ein Rückstand aus den Zeiten der Herrschaft des römischen Rechts ist, das zwar mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Rechts, am 1. Jan. 1900, sein Lebensrecht verlor, es aber es trotzdem geschafft hat, das 20. Jhdt. zu überstehen und immer noch an einigen Fakultäten zu überdauern, wobei die Legitimation für diesen Stoff - in der Regel: sein Eigenwert als dogmatisches Turngerät und seine Eigenschaft als Grund- und Vorlage des geltenden BGB - freilich immer schwerer zu beschaffen ist.

Was die unverbesserlichen Romanisten aber nicht entmutigen wird. Immerhin hat das 20. Jahrhundert eine niemals unterbrochene Kette romanistischer Rechtfertigungen hervorgebracht von denen einige - selbst dann, wenn sie in ihrer Form manchmal nicht mehr brauchbar sind - verdienen, nicht vergessen zu werden.

Folgende elegante Einlassung hat schon wegen ihrer Janusköpfigkeit Anspruch auf unsere Aufmerksamkeit. Konnte sie doch 1934, als sie von Heinrich Lange (1900 - 1977), der sie als Frischberufener an der Stoßtruppuniversität Breslau formulierte, als stramme Mithilfe bei der in Gang gekommenen Reinigung des Deutschen Geistes gelesen und nach 1945 (als Lange zunächst in Saarbrücken und dann bis zur Emeritierung in Würzburg die Studierenden lehrte, was das Recht ist) als besonders listiger Beitrag gegen die von den Herrschenden geplante Abschaffung des römischen Rechts interpretiert werden.

Deutsche Juristen Zeitung 39 (1934) 1493/94 (Abkürzungen von mir aufgelöst):

Die deutsche Romanistik befindet sich nicht erst seit der nationalsozialistischen Revolution in einer Krise. Nach dem sie durch die Schaffung des BGB zunächst Hilfs- später Geschichtswissenschaft geworden war, verlor sie sich in entsagungsvoller Kleinarbeit in den Einzelheiten des klassischen Stoffes, verlor aber ebenso die Überschau über den gesamten Bau des römischen Rechts wie den Zusammenhang mit dem neuen deutschen Rechte.

Das Judentum bemächtigte sich mehr und mehr auch dieser Wissenschaft. Der Zurückhaltende suchte hier seine innere Unverbundenheit mit dem Wirtsvolke in stiller Kleinarbeit zu überwinden; der Eigennützige betrachtete auch diesen Wissenszweig als Mittel, um sich und die Seinen zu fördern. Ringbildungen von Gleichartigen und Gleichgesinnten beherrschten die wissenschaftliche Wertung, beleuchteten wechselseitig die eigenen Leistungen, formten und förderten den Ruf ihres Kreises und ließen manchen älteren wertvollen Gelehrten deutschen Blutes im Dunkel der Gleichgültigkeit dahinleben. Es war und ist ein Unglück für die Wissenschaft vom deutschen bürgerlichen Recht, dass der Weg zum Lehrstuhl für dieses über das römische Recht führte, dass darum reine Historiker gegen ihre innere Berufung und oft auch gegen ihre äußere Neigung als Brotgelehrte bürgerliches Recht lesen.

[...] Nur wer im deutschen Volkstum wurzelt, wird das was uns mit dem fremden Volk verbindet, wie das, was uns von ihm trennt, fühlen und begreifen, als besonderes Achten und dem eigenen Volke dienstbar machen. Nie war die Erkenntnis des Geistes des römischen Rechtes notwendiger als heute, denn wer das deutsche Recht aus fremden Banden befreien und zu sich selbst führen will, muss das Fremde erkennen, um das Eigene von ihm zu lösen. Nur wer Historiker im tieferen Sinne ist, dringt über die Rechtstechnik des Alltags zum Geiste des Rechts und damit zum Rechte von Morgen vor.